Geschichtsunterricht:
von Erika Schmidt
Unsere Gemarkung mit 548 Hektar Land wird durch den Wasserlauf des Josbaches in zwei Teile geteilt. Der größere Anteil der Felder liegt auf der rechten Seite des Baches. Er fließt – aus östlicher Richtung kommen – an der Aumühle vorbei, durch den „Langen Winkel“ zu Kuchemühle. Dann geht es weiter bergab bis oberhalb des Anwesens der Familie Möhl. Dort teilte sich das Wasser in 2 Teile. Der obere Arm floß durch das Dorf, an den Höfen vorbei. Dort wurden Kühe und Pferde getränkt, Wasser für die übrigen Tiere geschöpft. Wasserleitung und Kanal kamen erst nach dem zweiten Weltkrieg.
Trinkwasser für die Menschen gab es im Eichborn, Triersch Born, und einem sehr tiefen Brunnen mit Seilwinde am oberen Bornrain an der „Scharfen Eck“.
Manche Häuser hatten in ihren Kellern Grundwasserbrunnen oder sogar Quellen mit klarem, kühlem Trinkwasser.
Der zweite Arm des Josbachs fließt noch immer an den Häusern vorbei und vereinigt sich am Ausgang des Dorfes unter der Brücke wieder mit dem inzwischen kanalisierten Wasser aus dem Dorf. Er schlängelt sich ohne wesentliche Richtungsänderung westwärts durch die Langen Wiesen und die Holzwiesen. Hinter der Niedlingsmühle verläßt er die Gemarkung und mündet bei Halsdorf in die Wohra.
Josbach grenzt an die Gemeinden Lischeid im Osten, an Heimbach im Norden, an Wohra im Nordwesten und an Halsdorf im Westen. Unsere Nachbardörfer Ernsthausen in Südwesten und Wolferode im Süden schließen den Kreis.
Ich zitiere aus dem „Lager- Stück- und Steuerbuch“ aus dem Jahre 1784, Staatsarchiv Marburg, in dem die Ortslage Josbachs wie folgt beschrieben wird:
„Josbach, im Amt Rauschenberg. Es liegt daselbst im Tal an der Frankfurt-Kasseler Straße in den Waldungen Eichwald und Heerscheidt. Bis Marburg 5 Stunden, der Stadt Rauschenberg 1½ Stunden, der Stadt Gemünden ½ Stunde. Es geht gegen Morgen an das Dorf Lischeid, gegen Mittag an Wolferode und Ernsthausen, gegen Abend an Halsdorf und gegen Mitternacht an den herrschaftlichen Wald zu Heimbach“.
Die Grenze zu Lischeid ist zugleich seit 1562 die Grenze zwischen Nieder- und Oberhessen, dem späteren „Hessen-Kassel“ und „Hessen-Darmstadt“.
Aus dem „Steuerkataster“ im Staatsarchiv Marburg entnahm ich, daß es im Jahre 1780 „8 Sorten Land“ und „7 Sorten Wiesen“ gab. Nach diesen Qualitätsstufen wurden Steuern und Abgaben errechnet.
Neben den Äckern und Wiesen, die Eigentum verschiedener Familien waren, gab es Gemeindeland. Es handelte sich dabei um wenig fruchtbares Land, von Hecken und Büschen bestandene Geländestreifen oder Waldränder, das sog. „Rottland“ (abgeleitet von dem Wort „Roden“).
Das Gemeindeland wurde für geringe Pachtzahlungen an Landlose vergeben. Es lag im Langen Winkel, in der Höllgrube, im Ungeheuren Graben und in der Sälzersbach.
Unter „Hüte- und Weidegerechtigkeit“ findet sich folgender Eintrag aus dem Jahre 1772:
„Hütende Gerechtigkeit“ übt die Gemeinde im „Herrschaftlichen Wald“ später Staatswald, im Langen Winkel, der Sengelplatte, Sälzersbach und auf den gemeindeeigenen Ländereien „Auf der Heck“ aus.
Zitat aus dem Jahr 1784:
„Es ist wichtig, daß die meißten Einwohner ihr Vieh zu Hause behalten und in Betracht der schlechten und wenigen Wiesen auch nach Ernsthausen und Gemünden oder Rauschenberg auswärts geben“. Heute wird dieser Vorgang „Sommerweide im Fremdbetrieb“ genannt.
Viebestand im Jahre 1784: 22 Pferde, 64 Kühe, 31 Ochsen und 404 Schafe. Kleinvieh und Schweine nicht gezählt.
Innerhalb der Siedlung, (die vorgenannten Mühlen lagen/liegen draußen) gab es 2 Mühlen, die nur 4 Monate im Jahr „vollkommenes Wasser“ bekamen. Danach gab es durch Stauen stundenweise Wasser für die Getreidemühle. (Bedeutung der Redewendung: „jemandem das Wasser abgraben“)
Im Jahre 1772 wurde durch den Landmesser Sohofen und mehrere Helfer während 3 Wochen die Landvermessung der Gemarkung Josbach durchgeführt. In der geschlossenen Ortslage gab es:
- 1 Kirche
- 1 Schule
- 2 Backhäuser
- 1 „Leiterhaus“
Ferner: 53 Privathäuser, 2 Mühlen, zum adeligen Erblehen gehörend
Die größeren Bauernhöfe lagen überwiegend im Unter- bzw. Mitteldorf, Handwerksbetriebe wie Schreiner, Wagenbauer und Schmied im Oberdorf.
Einwohner 1782:
- 61 Männer
- 83 Weiber
- 64 Söhne
- 80 Töchter
- 4 Knechte und
- 10 Mägde
Die uns umgebenden Wälder waren früher „herrschaftlich“, sie gehörten zum adeligen Grundbesitz. Heute sind sie staatlich, d.h. sie gehören dem Land Hessen.
Nach einem Kirchenbrand vor ca. 200 Jahren verkaufte Josbach den „Wüsten Rain“ zur Finanzierung des Neubaues ebenfalls an den Fiskus. Im Krausholz gibt es noch ein ca. 40 Hektar großes, in Privatbesitz befindliches Waldstück, den Interessentenwald. Anteile an diesem Waldgebiet gehören den Familien
- Jünger/Hauck
- Koch
- Schütz, heute Nebel
- Hornam/Müller
- Möhl
- Kuche/Kuchemühle
- Nau und Moneveld/Arnold
Die wichtigsten Höhenzüge um Josbach sind: Der Fährberg im Norden und die Sengelplatte mit 376 m über dem Meeresspiegel. Es folgen der Igelsberg bei der Niedling und die Hecke, 307 m hoch. Hecke und Igelsberg sind sog. „Triesche“ mit Hecken und Gesträuch bewachsen. Die anderen Höhen tragen bis heute Wald. In der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde mit genaueren Vermessungen begonnen. In dieser Zeit entstanden die ersten Gemarkungskarten für unsere Gegend.
Die sog. „Verkoppelung“ fand um 1900 statt und ist bis heute gültig.
In der Josbacher Chronik wird von der Bedeutung der Adelsfamilien v. Dernberg, v. Hornum, v. Wurm, v. Gilsa, v. Riedesel und v. Knoblauch berichtet.
Für unser Thema ist der ehemals Riedeselsche Besitz von besonderer Bedeutung. Nach dem Tod des letzten männlichen Erben kam es zu Besitzveränderungen, für das Dorf eine wichtige Entwicklung.
Herr Nikolaus Hauck, Landbesitzer, Gastwirt und Unternehmer, kaufte im Jahre 1811 für 22000 Goldtaler das riedeselsche Land. Bis zu 24 Pferde hielt er auf seinem Hof. Mit ihnen half er schwer beladenen Fuhrwerken, die auf der Straße in Richtung Kassel unterwegs waren, über die mühsame Strecke über die Hohe Warte nach Gilserberg. Das wurde gut bezahlt.
Von den knapp hundert Hektar des ehemals riedeselschen Besitzes behielt er den größten Anteil für sich, Randstücke verkaufte er weiter. Ein Waldstück – 40 Hektar – im Krausholz, nutzte er für sich.
Weitere 40 Hektar Wald im Krausholz gingen anteilsweise an „Interessenten“ und werden bis heute von 7 Besitzern verwaltet und genutzt.
Auf eine entscheidende Veränderung für unser Dorf möchte ich noch eingehen. Die Umgehungsstraße wurde im Jahr 1936 gebaut. Seit vielen Jahrhunderten führt eine wichtige Verkehrsachse – von Nord nach Süd und umgekehrt – vom Bodensee nach Frankfurt, über Kassel nach Bremen und Hamburg durch unser Dorf.
Am Beispiel des Fuhrunternehmers Hauck erkennen wir die Bedeutung dieser Straße.
Heereszüge, z.B. während des 30-jährigen Krieges 1618 – 1648 und z.Zt. Napoleons Anfang des 19. Jahrhunderts bewegten sich hier. Dazu kamen Geschäftsreisende, Touristen und die Post. Im 20. Jahrhundert sollte sogar eine Eisenbahnlinie hier durchgezogen werden, die Main-Weser-Bahn. Das Projekt scheiterte, wie wir wissen. Kirchhain, Neustadt und Treysa profitierten.
Nach dem zweiten Weltkrieg stieg mit dem wachsenden Autoverkehr die Straßenbelastung enorm an. Diese Entwicklung dauerte an. Sie bekam nach dem Fall der innerdeutschen Mauer im Jahre 1989 einen weiteren Schub.
Schon in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts, vor dem zweiten Weltkrieg, zwängten sich u.a. Lastautos um „Bienes Eck“, heute Familie Trier, um Sores Haus, heute Familie Ross und anschließend an der Kirchmauer vorbei. Nicht selten blieben sie zum Entzücken der Schulkinder dort stecken.
Die „Neue Straße“ kam im Jahr 1937. Sie führt durch die ehemaligen Hofgärten von
- Schunks, heute Happel, Deutsches Haus
- Haucks, heute Jünger
- Kochs, heute Hermann Henkel
- Hornams, heute Müller
- Schütz, heute Nebel,
- Schütz, Schmied
- Möhl
- Nau
Und durch die Wiese der Familie Fain, ausgewandert nach Brasilien.
Beim Bau der Straße wurden 3 Arbeiter verschüttet. Einer von ihnen, Heinrich Dressler aus Josbach, kam ums Leben.
Wassermühlen hatten in der Zeit vor der Mechanisierung für die Landbevölkerung eine enorme Bedeutung. Für ihre Besitzer brachten sie beachtlichen Wohlstand. Getreide bildete die Lebensgrundlage für Mensch und Tier. Die Mühlen stellten mit Wasserkraft und schweren Mühlsteinen aus Weizen „Kuchenmehl“ und „Brotmehl“ aus Roggen her. Dazu kamen Schrot und Kleie für die Tiere. Die Müller nehmen einen bestimmten Anteil der Ausbeute als Lohn an sich, bargeldlose Geschäfte also. Damit konnten sie einen weit größeren Viehbestand halten, als ihr eigentlicher Grund und Boden hergab. Mißernten und Hungersnöte wirkten sich katastrophal aus.
In Josbach gab es ursprünglich 2 Mühlen des Gutsbesitzers Riedesel. Sie arbeiteten bis ins 18. Jahrhundert. Bis heute gut erhalten liegt am östlichen Dorfrand die Kuchemühle. Ihr Besitzer fiel im Zweiten Weltkrieg. Seitdem ruht der Betrieb und existiert als Bauernhof weiter. Die Aumühle gehört zu Lischeid.
Unterhalb Josbachs liegt die Niedlingsmühle. Der Ort wurde erstmals im Jahr 1282 als Dorf Notlingen schriftlich erwähnt. Ab 1454 gehörte er zum Riedesel-Besitz, ging 1589 an die Familie v. Dernberg über.
Nach Amand v. Dernberg, Landrat Schmal, Hartmann Kuhn, Georg Hermann Pistor nahm die Familie Immel die Niedlingsmühle in Besitz. Für die Bauern aus Josbach, Halsdorf und Heimbach wurde seit 1824 hier Getreide gemahlen.
Die Familie Immel wurde in der Mitte des 19. Jahrhunderts mit einer großen Kinderschar – 12 Jungen und Mädchen – beschenkt. Durch Mißernten, durch die allgemein herrschende Not und aussichtslose wirtschaftliche Verhältnisse angetrieben, wanderten um 1840 vier von den 12 Kindern nach Amerika aus. Sie gingen nach Detroit, Michigan und Illinois.
Im Jahr 1842 folgten die Eltern mit weiteren 7 Kindern. Der älteste Sohn Jakob, verlobt mit einer jungen Frau aus Schiffelbach, blieb weiter auf der Niedling. 1939 verstarb sein Sohn Peter Immel. Der Schwiegersohn Jakob Mätschke übernahm den Betrieb. Heutiger Besitzer ist die Familie Lange, seit 1956 ist die Mühle außer Betrieb.